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The Beginning of Something Else im Kunstmuseum Stuttgart: Andächtig vor dem Pollenteppich - DER SPIEGEL

Blütenstaubteppich von Wolfgang Laib: Leuchtende Andacht

Foto: Wolfgang Laib / Foto: Carolyn Laib

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Das Lebenswerk von Wolfgang Laib ist nichts für Ungeduldige. Der Künstler arbeitet mit extrem langem Atem, seit Jahrzehnten. Und mit Wiederholungen, so lang, bis seine Handarbeit zum Ritual wird. Auch Langsamkeit ist bei ihm essenziell. Kunst wird für ihn so zu Meditation.

Künstler Laib sammelt und siebt seit Jahrzehnten Blütenstaub

Foto: Wolfgang Laib / Foto: Carolyn Laib

Jedes Frühjahr etwa hockt Laib wochenlang auf Wiesen in seiner oberschwäbischen Heimat, um mühselig Blütenpollen zu sammeln. Mit seiner linken Hand hält der Künstler dann einen Becher unter jede einzelne Blüte, mit der rechten schnippt er vorsichtig gegen die gelben Büschel, ein paar Krümel landen dann in einem Gefäß. Wenn es gut läuft, hat Laib am Ende der Saison ein kleines Gläschen des leuchtend gelben Puders zusammengetragen. In seinen Installationen siebt er das kostbare Naturmaterial auf Böden oder schichtet es zu kleinen Häuflein.

Das macht er seit Jahrzehnten. Schon 1985 häufte er die Installation »Fünf unbesteigbare Berge« an: wenige Zentimeter hohe, gelbe Kegel aus Haselnussblütenstaub. Ganz zartes, seltenes Material, das Betrachter eigentümlich anrührt. Menschen, die Laibs Pollenwerke sehen, werden oft ganz andächtig still.

Feld aus Reis und Pollen: Natur wird zu Kunst

Foto: Wolfgang Laib / Foto: A. Guermani

Die Natur ist stets Ausgangspunkt für Laibs Werke. Aus Bienenwachs formt er etwa Skulpturen oder kleidet damit Räume aus. Für seine Installation »Für einen anderen Körper« baute er 1988 einen schmalen, hohen Gang und kleidete ihn mit Bienenwachs aus. Das Wachs dämpft Geräusche erheblich, sodass Besucher, die nur einzeln hineingehen dürfen, ihren eigenen Körper anders wahrnehmen.

Einfache Dinge sind entscheidend

Laib geht es um Einkehr und Spiritualität durch Wiederholung. »Mein Werk ist entstanden ganz allein für mich«, sagt er, »mit so wenig menschlichem Einfluss von außen wie möglich.« 2015 bekam Laib den bedeutsamen japanischen Kunstpreis Premium Imperiale.

Ein fragiler Teppich aus Kiefernblütenstaub, ein Feld aus Reis, Wachsskulpturen und weitere Werke zeigt nun die Ausstellung »The Beginning of Something Else« im Kunstmuseum Stuttgart. In einem Bilder- und Lesebuch verrät Laib seine Inspirationsquellen: Friedrich Nietzsche, Laotse und hinduistische Mantras. Er zitiert auch Gandhi und Gebete von Franz von Assisi, mehrere Kapitel widmen sich der indischen Religion Jainismus.

Künstler Laib: »Meine Ideen sind nicht neu«

Foto: Wolfgang Laib / Foto: Ion Casado

Laib kam früh mit indischer Kultur in Kontakt. Er wurde 1950 in Metzingen in eine pietistische Ärztefamilie geboren und studierte nach dem Abitur Medizin. In den Siebzigerjahren schloss sich sein Vater einem Entwicklungshilfeprojekt in Südindien an, auch der Sohn war immer wieder zu Besuch und promovierte über Trinkwasserhygiene in Südindien. Als Arzt arbeitete er nie. In den Achtzigerjahren hielt er sich viel in Indien, Pakistan und Afghanistan auf. In islamischen Ländern inspirierten ihn damals vor allem Moscheen: »Leere Räume, die eine Fülle ausstrahlen, die ich bisher nicht kannte. Eine Sensibilität des Raumes und vor allem des Bodens, die in einer europäischen Kultur nicht einmal bekannt ist. Es waren einfache, elementare Dinge, aber doch ganz entscheidend«, sagte Laib.

Diese erhabene Einfachheit der Dinge hat Laib in sein gesamtes Werk übertragen. Auch in seine Milchsteine, von denen einer in Stuttgart zu sehen ist: weiße Marmorblöcke mit unscheinbaren Mulden, die der Künstler in einer Art Ritual mit Milch befüllt. Diese Steine stellt Laib seit 50 Jahren immer wieder her. »Meine Ideen sind nicht neu«, sagte er in einem Interview, »sondern so alt wie die Berge, die mich umgeben.« Genau diese Beständigkeit macht sie so sehenswert.

Wolfgang Laib, The Beginning of Something Else, Kunstmuseum Stuttgart , bis 5. November

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