Vielleicht nicht unerheblich ist, dass seine erste Rolle die es „Artful Dodger“ war, also des Anführers der Bande von Taschendieben in Charles Dickens’ Roman „Oliver Twist“. Phil Collins erhielt sie 1964 im Londoner Westend-Musical „Oliver“, als er dreizehn Jahre alt war. Bald darauf wurde er Komparse im Musikfilm „A Hard Day’s Night“ der Beatles, deren Schlagzeuger Ringo Starr er ebenso bewunderte wie den Jazzer Buddy Rich.
Dass Popmusik fast immer geschickt zusammengestohlen ist, war ihm also früh klar – auch wenn er sich zunȁchst, wie viele britische Musiker zu Beginn der siebziger Jahre, dem „progressive Rock“, also der Originalitȁt verschrieb: Mit seiner ersten eigenen Band Flaming Youth nahm er 1969 ein Konzeptalbum über die Mondlandung auf; Mitte 1970 wurde er Mitglied der Band Genesis, die damals per Kontaktanzeige einen „für akustische Musik empfȁnglichen Schlagzeuger“ suchte.
Das war Collins durchaus, wie etwa das Meisterstück „The Musical Box“ zeigt, und doch kann man sagen, dass er bald nicht nur bei Genesis, sondern auch bei der Jazzrock-Gruppe Brand X teils wie ein Verrückter auf die Felle drosch und bis heute manchen seiner Fans vor allem als einer der bedeutendsten Rock-Schlagzeuger gilt. Andere sehen in ihm zuerst den Sȁnger, der 1975 bei Genesis Peter Gabriel in dieser Rolle ablöste.
Für manche ist Collins der Mann, der Genesis trivialisiert hat, und für wieder andere gilt das zwar für das megakommerzielle spȁtere Werk der Band von „Invisible Touch“ (1986) bis „We Can’t Dance“ (1991), aber noch nicht für die Phase bis zu den frühen Achtzigern.
Sicher ist, das Phil Collins mit seiner Solokarriere ab 1981 die sehr verschachtelte Musikbox seines bisherigen Werks einmal zur Seite legen wollte und auf neue Direktheit, Klarheit, Einfachheit setzte, die mit dem Album „Face Value“ aus jenem Jahr programmatisch zum Ausdruck kam. Es war die Zeit der Nahaufnahme, der vergrößerten Innerlichkeit und bald auch des Balladensȁngers Phil Collins, der nach dem noch widerstȁndigen „In the Air Tonight“ dann „Against all Odds“ eine „Groovy Kind of Love“ beschwor, über „Separate Lives“ klagte und schließlich um „One More Night“ flehte.
Wie immer man zu seinen Ohrwürmern steht, die ihm auch viel Missgunst eingebracht haben – gegen die Eintönigkeit setzte Phil Collins doch immer wieder Akzente, allein schon durch seine Engagements auch als Gastmusiker, Produzent (etwa für Eric Clapton und John Martyn) oder Schauspieler (nochmal als Dieb in „Buster“, 1988). Je erfolgreicher er wurde, desto spielerischer schien er sich auch zu seinen Einflüssen zu bekennen, wenn er etwa den Supremes-Hit „You Can’t Hurry Love“ einfach von 1966 nach 1982 beamte, ohne am Sound dieser schwarzen Musik viel zu ȁndern. Über sein Motown-Gedenkwerk „Going Back“ (2010) sagte Collins, er habe ein altes Album machen wollen, kein neues. Wie er allerdings auf seinen Soloalben als Blȁsersektion die „Phenix Horns“ einsetzte, war eine geniale Verbindung von Bigbandmusik und Mainstreampop.
Als er von Letzterem nach reichlichen Eskapaden darin („Dance Into the Light“) doch einmal genug hatte, begann er mit seiner eigenen Big Band eigene Songs als Instrumentals nachzuspielen – auf die Idee muss man auch erst mal kommen. Gesundheitlich schwer angeschlagen, musste Collins zuletzt fast aufhören zu musizieren. Seine Autobiographie trägt den Titel „Not Dead Yet“. Ein abermaliges Genesis-Revival verschiebt sich derzeit auch noch wegen der Pandemie. Aber unaufhaltsam werden alle ȁlter: Phil Collins nȁmlich wird an diesem Samstag siebzig.
Artikel von & Weiterlesen ( Ein Meisterdieb, auch einer der Herzen - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung )https://ift.tt/2YvHdkI
Unterhaltung
Bagikan Berita Ini
0 Response to "Ein Meisterdieb, auch einer der Herzen - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Post a Comment