Am kommenden Sonntag rollt um 17 Uhr deutscher Zeit der erste Ball bei der Fußball-WM in Katar. Noch nie war ein Turnier so umstritten: Sklaverei, Homophobie, tote Arbeiter auf Baustellen – die Liste an Kritik ist lang. In seiner letzten Sendung als Moderator von „Hart aber fair“ fragte Frank Plasberg daher: „Ab in die Wüste: Wer freut sich auf die WM in Katar?“
Eine einheitliche Antwort gab es in der Runde nicht. Der frühere Manager von Werder Bremen, Willi Lemke, beklagte ein „großes Bashing“. In Zeiten wie diesen bräuchten Menschen auch etwas Positives. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte ihre Gespräche in Katar. Ob sie zur WM reist, will sie erst noch entscheiden.
In der Sendung war auch der frühere Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger. Der Fernsehexperte hat einen Film über Katar gedreht. Dabei traf er auch eine nepalesische Frau, deren Mann auf einer Baustelle in Katar umgekommen ist. In der Runde saßen zudem die frühere Bundesligaspielerin Tugba Tekkal und DFB-Mediendirektor Steffen Simon.
WM ansehen oder nicht? Nur bei Tekkal wird der Fernseher sicher ausbleiben. „Ich bin Fußballerin durch und durch. Und ich bin ehrlich. Ich kann das einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“, sagte die frühere Bundesligaspielerin.
Die Leidenschaft für Fußball ist für Hitzlsperger gerade der Grund, den Fernseher einzuschalten. Paris Saint-Germain oder der FC Bayern würden von Katar gesponsert. Viele englische Fußballvereine hätten Verbindungen nach Saudi-Arabien. „Heißt das dann auch Boykott?“, fragte der frühere Fußballnationalspieler. „Wenn ich da konsequent bin, dann muss ich wirklich aufhören, Fußball zu schauen und zu leben. Und das möchte ich nicht hinnehmen.“
DFB-Mann Simon wollte keine Empfehlung abgeben: „Das muss jeder für sich entscheiden.“ – „Vertrauen Sie da auch ein bisschen auf die deutsche Doppelmoral?“, unterbrach Plasberg. Vom Fußball-Funktionär kam es statt einer Antwort nur ein zögerliches Grinsen.
„Ab morgen werden wir über Fußball in den Zeitungen und den Medien hören“, prognostizierte Lemke. Teilweise sei bisher „nicht fair“ mit den Menschen in Katar umgegangen worden.
Dass ab jetzt nur noch der Sport dominiert, glaubt Simon nicht. „Der Fußball ist viel politischer geworden“, findet der DFB-Mediendirektor. Missstände gehörten auch während des Spiels angeprangert.
Dem schloss sich Faeser an. Ob sie nach Katar zu einem Spiel der deutschen Mannschaft fahren wird, konnte die Innenministerin noch nicht sagen. Noch Anfang November hatte die SPD-Ministerin erklärt, zur WM reisen zu wollen. Eine Bedingung für eine Reise sei, vor Ort auch Termin zu bekommen, um kritische Themen weiter anzusprechen, erklärte Faeser jetzt.
Bereits zu Beginn des Monats war Faeser zusammen mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach Katar gereist. Dort gab ihr der katarische Premierminister eine „Sicherheitsgarantie“. Alle Fans würden sicher nach Katar reisen können. Wenige Tage später sagte der katarische WM-Botschafter in einem ZDF-Beitrag über Homosexualität: „Es ist ein geistiger Schaden.“
Hitzlsperger, selbst schwul, nannte die Sicherheitsgarantie daher „fadenscheinig“. „Ich würde mir wünschen tatsächlich, dass Sie eben nicht zu dieser Weltmeisterschaft fahren und das auch noch unterstützen“, forderte Tekkal. „Das wäre einfach konsequent zu sagen: Ich bin hierhergekommen und Ihr habt mir ins Gesicht gelogen.“
Für Faeser sind die Probleme nach der WM nicht zu Ende: „Es geht darum, das Land danach zu begleiten. Wir müssen sehen, ob die Gewerkschaften, die dort neu gegründet wurden, auch wirklich bestehen.“
Daran glaubt Hitzlsperger nicht: „In zwei Jahren ist die Fußballeuropameisterschaft in Deutschland. Da werden sich leider nur noch ganz, ganz wenige Menschen für Katar interessieren“, ist sich Hitzlsperger sicher. Für andere Länder habe sich danach auch niemand mehr interessiert: „So ist es immer gewesen und so wird es wieder sein.“
Faeser weicht Plasberg aus
Der Außenminister Katars hatte der deutschen Regierung vergangene Woche Doppelmoral vorgeworfen. Bei der Fußball-WM würden auf einmal andere Maßstäbe gelten als bei Energiepartnerschaften. Noch im März war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Katar geflogen, um dort Gas für Deutschland einzukaufen. Faeser wich auch auf mehrmaliges Nachhaken Plasbergs aus.
Lemke wurde da deutlicher: „Das ist ein klassischer Fall von Doppelmoral.“ Es sei richtig, Kritik zu üben, „allerdings nicht gleichzeitig dann um Gas betteln.“ Weltweit würden nach den hohen Kriterien nur etwa zehn Prozent aller Länder die strengen Voraussetzungen erfüllen, um ein solches Großereignis auszurichten, rechnete der frühere SPD-Politiker vor.
Darin sieht auch Hitzlsperger ein Problem: „Vielleicht können wir auch alles einmal ein bisschen runterfahren, sodass wieder mehr Länder sich das leisten können.“ Derzeit stelle die FIFA so hohe Anforderungen, dass diese finanziell von vielen Ländern kaum zu bezahlen seien.
Gerührt gibt Plasberg ab an Caren Miosga
Die letzte Viertelstunde der Sendung gehörte dann dem Moderator. Nach über 22 Jahren bei „hart aber fair“ hörte Plasberg am Montagabend auf. Ab Anfang Januar übernimmt Louis Klamroth die Moderation der Sendung. Der frühere „n-tv“-Moderator hatte bereits im vergangenen Jahr auf Pro Sieben die Kanzlerkandidaten interviewt. Jetzt wechselt er zur ARD.
Klamroth trat zum Schluss der Sendung am Montagabend aus der Kulisse und forderte Plasberg auf: „Frank, du musst jetzt mal ein bisschen Kontrolle abgeben.“ Danach bat er ihn, einen „Schritt zur Seite“ zu gehen – damit er selbst erstmals auf das berühmte Pad drücken könne, mit dem bei „hart aber fair“ kleine Filme gestartet werden können. Plasberg ließ ihn gewähren. Danach zeigte Klamroth einen großen Abschiedsfilm mit Szenen aus Plasberg „hart aber fair“-Zeit.
Der 65-Jährige hatte im Sommer erklärt, die Moderation des ARD-Talks nach mehr als 20 Jahren abgeben zu wollen. Er hatte die Sendung seit 2001 moderiert. Am Montag war nun der große Moment gekommen – Plasberg verabschiedete er sich von seinem Publikum. „hart aber fair“ soll nun eine Pause machen und von 2023 vom deutlich jüngeren Klamroth präsentiert werden.
Vor Klamroths Kurzauftritt hatte Plasbergs langjährige Kollegin und „Zuschaueranwältin“ Brigitte Büscher bereits ausgewählte Meinungen aus dem Publikum zum Weggang des Langzeit-Gastgebers vorgetragen. Manche waren durchaus kritisch. Ein Zuschauer schrieb: „Vielleicht bringt der neue Moderator etwas Stimmung in die Bude.“
Viele waren aber wohlwollend. Eine Zuschauerin erklärte, sie habe „eigentlich nur wegen Herrn Plasberg“ zugeschaut. Der neue Moderator trete in „große Fußstapfen“. Plasberg begrüßte Klamroth wenig später mit dem Satz: „Hallo Louis, was hast du für eine Schuhgröße?“
Am Ende stand Plasberg mit einem großen Blumenstrauß vor dem Studio-Publikum und Mitarbeitern der Sendung, die ihm applaudierten. Er wiederum bedankte sich bei seinen Kollegen und den Zuschauern. Auf einer Videowand stand „Danke Frank“.
Sichtlich gerührt gab Plasberg an Caren Miosga zu den Tagesthemen ab. Die bedankte sich bei Plasberg, „auch dafür, dass Du diesen Schnurrbart nicht mehr trägst.“
„Für mich ist ein schöner Tag“, erklärte Plasberg. Ein 79 Jahre alter Professor habe ihm einen Rat zukommen lassen, wie man mit dem nun folgenden Lebensabschnitte umgehen könne. Es sei der Rat, den auch seine Frau ihm gegenüber formuliert habe: „Immer helle Kleidung tragen und gut riechen.“ Plasberg versprach: „Ich werd‘s machen.“
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