In der Schlussphase blickte Uwe Neuhaus oft auf seine Uhr. „Selten kamen mir die letzten Minuten so lange vor. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben“, sagte der Coach von Arminia Bielefeld. Doch das Zittern wurde belohnt: Die Ostwestfalen retteten das 1:0 gegen Hertha BSC über die Zeit und schafften es nach fünf Spieltagen, den Relegationsplatz zu verlassen. Erstmals nach neun Wochen steht der Aufsteiger wieder auf einem Tabellenplatz, der, wäre die Saison nun zu Ende, den Klassenverbleib bedeuten würde.
Für den Marathon im Hinblick auf das Ziel, in der ersten Liga zu bleiben, war dies ein elementar wichtiger Schritt. „Wir haben uns reingebissen und reingekämpft“, erklärte Neuhaus, dessen Rechnung, wie Arminia erstklassig bleiben kann, nun scheinbar doch wieder aufgehen kann. Gegen die unmittelbaren Konkurrenten und gegen Mannschaften, die von der spielerischen Qualität nicht ganz so weit weg sind, müsse gepunktet werden, hatte der 61-Jährige stets betont.
Das gelang: Gegen Köln, Mainz und Schalke wurde gewonnen. Zudem müsse aber auch der eine oder andere Zähler gegen einen potenziell stärkeren Gegner geholt werden. Daran hatte es bislang, abgesehen vom 1:1 gegen Frankfurt, gehapert.
Underdog-Strategie liegt dem Team nicht
„Bei der geringen Anzahl von Punkten, die wir bislang hatten, waren die direkten Duelle enorm wichtig. Du musst aber so viele Spiele gewinnen, dass es am Ende reicht“, erklärte Neuhaus, der mit seiner Mannschaft kontinuierlich daran arbeitet, das höhere Niveau der Gegner kompensieren zu können. Das ist ein Prozess, der durch die Tatsache, dass es die Arminia in den vergangenen zwei Zweitligaspielzeiten gewohnt war, dominant zu agieren und selbst das Spiel zu machen, nicht gerade erleichtert wurde.
Die klassische Underdog-Strategie – tief stehen, kompakt verteidigen und ausschließlich auf Konterfußball zu setzen – liegt dem Team nicht so. Eine zu offensive Herangehensweise wäre andererseits aber speziell gegen Spitzenmannschaften extrem riskant.
„Wir waren in vielen Spielen zwar nicht chancenlos, aber weit weg vom Topniveau der Bundesliga“, sagte Neuhaus. Um den Klassenunterschied in puncto individuelles Potenzial trotzdem auszugleichen, fordert der Coach allerdings nicht nur Sekundärtugenden, sondern auch extreme taktische Disziplin und Flexibilität ein. Entscheidend sei, auf dem Feld die Abstände zueinander eng zu halten. Wenn ein Abwehrspieler einen Zweikampf verliere, muss der nächste zur Stelle sein, um zu retten. Wenn ein Stürmer im Dribbling hängen bleibt, muss der nächste parat stehen, um nachzusetzen. „So ist gewährleistet, dass jeder jedem helfen kann“, so Neuhaus: „Das spielerische Element kommt von selbst, wenn du in Zweikämpfe kommst und sie gewinnst.“
Gegen Hertha ging dies auf: In der zweiten Halbzeit hatte Arminia den Gegner auf das eigene Niveau heruntergezogen, konnte dann selbst Fußball spielen und das erlösende Tor durch Reinhold Yabo (64. Minute) erzielen.
Mit Abstand niedrigster Etat der Bundesliga
Anschließend wurde mit maximalem Kraftaufwand – und ein wenig Glück – verteidigt. Es ist ein harter Job, den Neuhaus und seine Spieler machen. Denn die Arminen, deren Gesamtetat – knapp 25 Millionen Euro – der mit Abstand niedrigste in der Eliteklasse ist, müssen zudem auf einen wichtigen Faktor verzichten: ihre Fans.
Auch dies war so ein Gedanke, der Neuhaus in der Schlussphase am Sonntag gekommen war. „Ich habe zwischendurch überlegt, was los gewesen wäre, wenn die Hütte voll gewesen wäre und eine Stimmung geherrscht hätte, die uns noch einmal ein Stück getragen hätte“, sagte er.
Doch das Fehlen der Fans kann vielleicht eine Motivationshilfe sein: Die Bielefelder sind unverhofft aufgestiegen, konnten diese Sensation wegen Corona allerdings nicht mit ihren Anhängern feiern. Nun wollen sie ihnen wenigstens die Gelegenheit geben, ihre Mannschaft in der Bundesliga sehen zu können. Allein deshalb, versprach Neuhaus, werde sein Team alles dafür tun, den schweren Kampf um die Erstklassigkeit nicht zu verlieren.
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