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Wim-Wenders-Film „Perfect Days“: Vom Glück des einfachen Lebens - WELT

In manche Filme möchte man einziehen. „Perfect Days“ von Wim Wenders ist so einer. Im Prinzip handelt es sich um das direkte Gegenteil von seinem Künstlerporträt „Anselm“, das erst vor ein paar Wochen in die Kinos kam: „Perfect Days“ spielt schon mal auf der anderen Seite der Welt, in Japan. Und dann steht in den 120 Minuten, von denen man wünscht, sie würden nie zu Ende gehen, kein zerquältes Genie im Zentrum, sondern ein bescheidener, praktisch stummer Toilettenreiniger namens Hirayama.

Statt wie Anselm Kiefer die Grauen der Welt auf überdimensionale Leinwände zu bannen, fotografiert Hirayama in seiner Mittagspause in einem Tokioter Park die Bäume, und zwar immer dieselben. Sein Leben folgt einem ewiggleichen Rhythmus, wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“, nur dass der Kalender seinen gewohnten Gang geht und die Jahreszeiten wechseln.

Ansonsten: alles gleich, die Morgenroutine in der kleinen Bude am Stadtrand, vordergründig die schäbige Kulisse einer mickrigen Existenz, in Wahrheit aber die sorgsam gepflegte Bühne für ein großes Herz, das sich nur verkrochen hat. Er putzt sich die Zähne, sucht eine Kassette mit wunderschönen Hippie-Songs raus, Fleetwood Mac, Patti Smith, Otis Redding. Alles Originale aus den 70ern, 80ern – ein kleiner Schatz, wie sich herausstellen wird.

Mit dem Minibus dreht er seine Runden, Böden wischen, Urinale polieren. Im Gegensatz zu einem geschwätzigen Kollegen, der auch noch dauernd zu spät kommt, erledigt Hirayama den niederen Job klaglos und gewissenhaft. Er hat etwas von einem buddhistischen Mönch, bloß im Blaumann statt in orangefarbener Kutte. Im Park knipst er mit einer kleinen Kamera die Flora und hat einen wortlosen Flirt mit einer Angestellten. Die beiden kauen ihre Brote und wechseln keusche Blicke.

Japans Oscar-Kandidat

Das klingt nach wenig; Wenders schafft es aber wie in seinen besten Zeiten, einen unterschwelligen Sog zu erzeugen. Die gleichförmig hinfließende Zeit, der regelmäßige Schauplatzwechsel – ein Feierabendbier in einem U-Bahn-Imbiss hier, das Besprühen der Bonsai-Bäumchen auf dem Sims da – wirkt hypnotisch. Man fühlt die Trauer des Toilettenputzers, als sein persönliches Mandala unterbrochen wird, und zwar durch seine Nichte, die von ihrer nervigen Business-Mutter und ihrem schwarzen SUV ausgerissen ist. Früher oder später rollt der heran, und das Rätsel von Hirayamas bedürfnisloser Existenz wird andeutungsweise gelüftet.

Das hätte gar nicht sein müssen. Kôji Yakusho spielt diesen Mann wie ein zu schnell gewachsenes Kind, am Ende liegt die Kamera gefühlt minutenlang auf seinem entzückten Gesicht. „Perfect Days“ ist Japans offizieller Kandidat für den Oscar für den besten ausländischen Film. Erstaunlich, dass der Regisseur selbst ein Ausländer ist, wenn auch einer, der der japanischen Kultur seit Langem eng verbunden ist. Das geht jedenfalls völlig in Ordnung, denn der Film ist es ja auch: erstaunlich.

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