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Lässt beim FC Bayern etwa die Gier nach? - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Julian Nagelsmann ist ein Coach, der gern redet und viele Details aus seiner Arbeit mit dem FC Bayern München preisgibt. Beobachter, die sich für Strategien und taktische Gedankenspiele interessieren, erhalten rund um die Partien des Klubs jede Menge Denkstoff von dem Münchner Fußballtrainer, über Systeme, bespielte Räume oder asymmetrische Formationen zum Beispiel.

Wenn es jedoch um in seinem Beruf ebenso bedeutsame Aspekte wie die Einstellung, das Binnenklima oder den Charakter seiner Mannschaft geht, versiegt der Informationsfluss meist ziemlich schnell. So wie am Samstag nach der erstaunlichen 2:4-Niederlage des Tabellenführers beim VfL Bochum, für die Nagelsmann – zumindest vor der Öffentlichkeit – einen Großteil der Verantwortung selbst übernehmen wollte.

„Die Idee in der ersten Halbzeit war nicht gut“, sagte er, nachdem seine Mannschaft in den Phasen rund um die Pause geradezu demontiert worden war. „Man sitzt immer gemeinschaftlich im Boot, ich kritisiere mich selber, wenn die Idee nicht top aufgegangen ist“, fuhr er fort und räumte ein, dass er mit seiner Umstellung von einer Vierer- auf eine Dreierkette nach 45 Minuten womöglich zu spät reagiert habe.

Der Versuch, die Welle der Kritik auf sich zu nehmen, ehrt Nagelsmann, und vielleicht gehört sein fruchtloser Plan, die schnellen Bochumer Flügelspieler mit vier Verteidigern bekämpfen zu wollen, tatsächlich zu den Gründen für diese Niederlage. Viel prägnanter waren jedoch die Beobachtungen, die Joshua Kimmich erschüttert hatten.

„Wenn Josh das gesagt hat...“

„Wir haben alle Tugenden, die es braucht, um ein Spiel zu gewinnen, vermissen lassen“, sagte der Mittelfeldspieler und kritisierte die „Einstellung“ sowie die „Körperspannung“ seines Teams. Besonders erschreckend sei, dass das „zu oft passiert“, das kenne er „aus der Vergangenheit nicht“ von seiner Mannschaft, erklärte Kimmich und sah sich veranlasst, die Debatte mit einem besonders heiklen Selbstvorwurf anzuheizen: „Wir müssen uns fragen, ob das die Mentalität ist, die der FC Bayern eigentlich verkörpert.“

Diskussionen über die Mentalität und die Einstellung im Fußball berühren oftmals sensible Punkte in einer Mannschaft. Es geht dann schnell um heikle Fragen: Wer genau spielt nicht engagiert und leidenschaftlich genug? Ist das Binnenklima noch in Ordnung? Gibt es zwischenmenschliche Schwierigkeiten?

Und so weiter. Es ist verständlich, dass die Angehörigen von Borussia Dortmund mitunter empört reagieren, wenn sie gebeten werden, ihre seit Jahren schwelende „Mentalitätsdebatte“ mit neuen Aussagen anzureichern, denn solche öffentlichen Diskussionen wirken sich in der Regel negativ auf die Mannschaft aus. Entsprechend wortkarg blieb Nagelsmann, als er mit Kimmichs Überlegungen konfrontiert wurde. „Wenn Josh das gesagt hat, wird ein Funken Wahrheit dahinterstecken“, sagte der Trainer „aber ich habe zu bewerten, was ich gemacht habe, daher habe ich nicht über die Spieler geredet.“

Damit wich er zumindest öffentlich einem Thema aus, das er nach Kimmichs deutlichen Hinweisen intern wohl behandeln muss. Denn nach Jahren, in denen das Team von einem geradezu unstillbaren Siegeshunger angetrieben wurde, gibt es nun Indizien, die darauf hindeuten, dass diese Kraft etwas nachgelassen haben könnte. Dazu passt, dass mit Nagelsmann ein Trainer eingestellt wurde, der etwas weniger auf das emotionale Befinden des Teams einwirkt und dafür stärker technisch-taktisch arbeitet als einige seiner Vorgänger.

Oder hat der FC Bayern sogar ein Hierarchieproblem, weil in der Defensive nach dem Weggang von David Alaba und Jérôme Boateng und dem Ausfall von Manuel Neuer Wortführer fehlen? In der vergangenen Woche hat auch noch Niklas Süle bekannt gemacht, dass er im Sommer zu Borussia Dortmund wechselt, der Nationalspieler wird keine Chefrolle mehr bei den Bayern übernehmen. Lucas Hernández, Benjamin Pavard und der in Bochum besonders schwache Dayot Upamecano sind in der Kaderhierarchie ebenfalls eher weiter unten unterwegs, womöglich fehlen während der Spiele Impulse aus der Abwehrkette, die es mit Alaba oder Boateng noch gab.

Den Bochumern gelang in der ersten Halbzeit fast alles.

Den Bochumern gelang in der ersten Halbzeit fast alles. : Bild: AFP

In jedem Fall steht nach diesem sonnigen Wintertag von Bochum die Frage im Raum, ob diese unter Jupp Heynckes vor etwa zehn Jahren entstandene und unter Pep Guardiola weiter entwickelte Gier nach immer mehr Toren und Siegen irgendwann wieder verloren gehen könnte. Vier Bundesligaspiele haben die Bayern im laufenden Spieljahr bereits verloren, alle gegen Klubs aus der unteren Tabellenhälfte. Hinzu kommt das desolate 0:5 bei Borussia Mönchengladbach im DFB-Pokal, das manche Ähnlichkeiten mit dem 2:4 von Bochum hatte.

„Zum Glück war das ein Bundesligaspiel, und wir hatten neun Punkte Vorsprung“, sagte Kimmich, aber auf das Talent, solche Niederlagen in den richtigen Momenten zuzulassen, können sie sich keinesfalls verlassen. Und ein Spannungsabfall wäre auch nur menschlich, da am Ende des Winters fast immer klar ist, wer der nächste Meister sein wird. Dabei geht es in der Champions League erst richtig los, am Mittwoch (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) spielen die Münchner ihr Achtelfinal-Hinspiel bei RB Salzburg.

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