Diese Vorwürfe wird Alexander Zverev nicht los, was auch immer er auf dem Tennisplatz leistet. Er ist erster deutscher Tennis-Olympiasieger im Herren-Einzel geworden, er hat das Masters-Turnier in Cincinnati gewonnen, er stand im Halbfinale der US Open. Sportlich ist er in der Gegenwart vielleicht in der Form seines Lebens und Kandidat für die Wahl zum deutschen Sportler des Jahres.
Doch die Gewalt-Anschuldigungen seiner ehemaligen Freundin, die sich auf die Vergangenheit beziehen, beschäftigen Zverev immer wieder. Schlagzeilen rund um sein Privatleben begleiten ihn nun abermals bei einem wichtigen Turnier. „Wie ich schon zuvor erklärt habe, weise ich all diese Anschuldigungen kategorisch und unmissverständlich zurück“, schrieb Zverev am Montag auf Englisch bei Twitter.
ATP nimmt Vorwürfe „ernst“
Seine Stellungnahme folgte, nachdem die Profi-Organisation ATP verkündet hatte, die Vorwürfe gegen ihn zu untersuchen. Mehrfach hat Zverev diese vehement bestritten. Erst vor gut fünf Wochen, als der 24 Jahre alte Hamburger öffentlich machte, Anwälte eingeschaltet zu haben. Ende August begannen nur drei Tage später die US Open als letztes Grand-Slam-Turnier der Saison.
Diesmal bereitet sich der Weltranglisten-Vierte auf das bedeutsame Masters-1000-Event in Indian Wells vor, bei dem am Mittwoch und Donnerstag die ersten Hauptfeld-Partien anstehen. Zverev wird in Kalifornien am Mittwoch – wie für einen Mitfavoriten üblich schon vor seinem ersten Match – eine Pressekonferenz geben und dürfte mit den Untersuchungen und damit wieder mit der Frage nach Olga Scharipowa konfrontiert werden. Seine frühere Freundin wirft ihm unter anderem vor, dass er sie im Oktober 2019 geschlagen habe. Sie bezeichnete sich als „Opfer häuslicher Gewalt“.
Er begrüße es, dass die ATP diese Angelegenheit nun untersuche und habe die Spielerorganisation schon seit Monaten dazu aufgefordert, heißt es in Zverevs Stellungnahme. Die ATP hatte in Person ihres Chefs Massimo Calvelli erklärt, dass die gegen Zverev erhobenen Vorwürfe „ernst zu nehmen“ seien und die Organisation die Verpflichtung habe, ihnen nachzugehen. Man hoffe, dass die „Ermittlungen es uns ermöglichen werden, den Sachverhalt aufzuklären, um daraus die richtigen Schlüsse für unser weiteres Vorgehen zu ziehen.“ Seit die Anschuldigungen im vergangenen Jahr aufkamen, hat Zverev darauf oft wortkarg geantwortet. Viele Fragen sind offen.
Als Sportler hat er in den vergangenen Monaten Sympathien gewonnen. Er gab sich in Tokio als Olympia-Fan, ergriffen kamen ihm nach seinem Halbfinalerfolg gegen Topstar Novak Djokovic die Tränen. Es kam gut an, wie viel Lust der Tennisprofi versprühte, die Goldmedaille zu gewinnen. Negativschlagzeilen der Vergangenheit um den Rechtsstreit mit seinem früheren Manager Patricio Apey oder die in Corona-Zeiten missglückte Adria-Tour schienen im Sommer in Tokio weit weg.
Die lange Zeit zum Teil arrogant, unnahbar oder patzig wirkende Art hat Zverev im Lauf der Jahre, in denen er sportlich erfolgreicher und menschlich reifer wurde, tendenziell abgelegt.
Als Tennisspieler lässt ihn die Frage nicht los, wann er seinen ersten Grand-Slam-Titel gewinnt. In Indian Wells kann er abermals zeigen, dass er zu den Kandidaten auf einen der nächsten Major-Titel im kommenden Jahr gilt. Indian Wells, 2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie ausgefallen und 2021 vom eigentlichen Termin im Frühjahr in den Herbst verlegt, ist einer von wenigen verbleibenden Tennis-Höhepunkten in diesem Jahr. Das Turnier zählt zu den wichtigsten neben den Grand Slams, Zverev ist in Abwesenheit des Weltranglisten-Ersten Djokovic ein Topfavorit. Dass er trotz privater Schlagzeilen sein bestes Tennis abrufen kann, hat er schon gezeigt.
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