Stand: 08.05.2021 19:30 Uhr
Neue Möglichkeiten der Tricktechnik verändern die Filmindustrie: Schauspieler stehen heute in virtuellen Sets mit hochauflösenden LED-Wänden.
Von Ralf Kölbel, SWR
Visuelle Effekte spielen bei modernen Film- und Fernseh-Produktionen eine wichtige Rolle. Als Standard galt bisher das sogenannte Green- oder Bluescreen-Verfahren, bei dem die Protagonisten vor einem grünen oder blauen Hintergrund stehen. Hochauflösende LED-Wände könnten schon bald die gängige Green- und Bluescreen-Produktionen ablösen - und neue Möglichkeiten beim Filmdreh eröffnen.
Konkurrenz für Hollywood
Auf der online veranstalteten Branchenmesse FMX sind die Vorteile und Herausforderungen dieser Technologie vergangene Woche präsentiert worden. In Mannheim steht die "LED-CAVE", Europas größtes LED-Studio, das schon bald Hollywood Konkurrenz machen könnte.
Fast 73 Millionen Leuchtdioden bilden zusammen in der "LEDcave" eine Projektionsfläche von mehr als 340 Quadratmetern, auf der sich durch wenige Mausklicks jeder Hintergrund einspielen und austauschen lässt.
Virtuelle Inhalte am Filmset
"Mit großen Displaytechnologien können virtuelle Inhalte direkt ans Filmset geholt werden", erklärt Simon Spielmann, leitender Ingenieur der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Animationsinstituts. Auf diese Weise bietet das Filmset ein Bild, das dem des finalen Films nahezu identisch ist. Die Aufnahmen werden also nicht im Nachhinein am Computer bearbeitet, sondern die gesamte Szene mit Schauspielenden und LED-Hintergrund wird von Kameras aufgenommen.
Thilo Strack, Geschäftsführer des LEDcave: "Ich brauche reale Objekte wie Sand, Kies, Möbel, eine Brechung zwischen dem realen Boden und der virtuellen Wand, der virtuellen Fläche, damit die Personen, Akteure, die im Raum stehen, auch realistisch dastehen", sagt Thilo Strack, Geschäftsführer des LEDcave. "Das ist auch der Vorteil von so einem virtuellen Studio, dass ich es sofort so habe, wie es reell aussieht."
Dank der LED-Wände entsteht schon im Studio der reale Eindruck des späteren Films. Bild: Thomas Hillebrandt, SWR
Bluescreen und Greenscreen bisher Standard
Den Einsatz der sogenannten "Rückprojektion" gibt es beim Film schon seit Jahrzehnten. Alfred Hitchcock war ein Meister darin, in seinen Filmen Spannung zu erzeugen, etwa in "Über den Dächern von Nizza" von 1955. In der wilden, im Studio gedrehten Autofahrt von Cary Grant und Grace Kelly sind die Rück- und Frontprojektionen allerdings deutlich zu erkennen.
Da sich die klassische Rückprojektion nicht durchsetzen konnte, kam in den vergangenen Jahrzehnten meist die sogenannte Bluescreen- und Greenscreen-Technik zum Einsatz. Dabei werden Szenen mit Personen und Gegenständen vor grünen oder blauen Leinwänden gedreht. Der Rest des Bildes, also der Hintergrund, wird dann mit leistungsfähigen Rechnern und Programmen digital hinzugefügt.
Schauspieler und szenischer Hintergrund kommen bei größeren Filmproduktionen mit dieser Technik erst im Nachhinein zusammen - eine Herausforderung für die Schauspielenden, sich ihre Szene im Gesamtbild weitestgehend nur vorzustellen. So unterlaufen auch schnell Aufnahmefehler, die dann hinterher korrigiert werden müssen.
Weniger Reisen an verschiedene Drehorte?
Beim Zusammenspiel zwischen Schauspielenden und der Kulisse ermöglichen die LED-Wände Genauigkeit und Kontrolle direkt während des Filmdrehs. Da die Wände außerdem sehr hell sind, könnten sie am Set die Beleuchtungstechnik komplettieren.
Der Szenenwechsel an einem Filmset ist durch das Abspielen verschiedener Drehorte sehr schnell möglich - sodass mehr Szenen an einem Tag abgedreht werden können. Da alle Filmstudios mit den LED-Wänden den gleichen Filmsetaufbau haben, können Filmdrehs in Zukunft an unterschiedlichen Orten stattfinden. Es wird möglicherweise nicht mehr nötig sein, dass Darstellende an bestimmte Drehorte reisen - gerade in der Corona-Pandemie eine Chance für weitere große Filmproduktionen.
Nachträgliche Korrekturen kaum möglich
"Die Arbeiten in so einem LED-Studio werden dazu führen, dass die Postproduktion eigentlich wegfällt", sagt Volker Helzle von der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg: "Das heißt: Wir drehen diese Szenen im Studio und die sind zu 99 Prozent final." Der Nachteil dieser Vorgehensweise: Kreative Entscheidungen müssen direkt am Filmset gefällt werden.
Die Postproduktion fällt bei LED-Wänden weitgehend weg - aber auch die damit verbundenen nachträglichen Gestaltungsmöglichkeiten. Bild: Thomas Hillebrandt, SWR
In den Szenen und den Bestandteilen der digitalen Hintergründe steckt viel Vorbereitung - beim Dreh muss schließlich alles fertig sein. Dazu gehört auch die genaue Planung, welche realen Objekte zum Einsatz kommen, um Vorder- und Hintergrund optisch miteinander zu verbinden.
Die Entwicklung geht jedoch weiter. Wo heute nur reale Menschen vor digitalen Wänden agieren, könnten künftig auch animierte Figuren in der Projektion zum Einsatz kommen. "Wir wollen das erweitern", sagt Volker Helzle, "wir wollen auch Kreaturen oder Charaktere, die voll digital sind, so produzieren für den Film. Und da finden eben gerade intensive Forschungsarbeiten statt." Künstliche Intelligenz könnte die Filmproduktion in Zukunft noch stärker verändern.
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