Es soll die neue Traumehe der Formel 1 werden: Sebastian Vettel fährt für Aston Martin. Doch nach den Flitterwochen gibt es nun, vor dem ersten Saisonrennen in Bahrain, einen stotternden Start. Technische Probleme bei den dreitägigen Testfahrten sorgten dafür, dass Vettel deutlich weniger zum Fahren kam als die meisten seiner Konkurrenten. Vettel kam auf 633 Kilometer, und damit auf den schlechtesten Schnitt aller Piloten.
»Mir fehlen ungefähr hundert Runden«, so die realistische Bilanz des vierfachen Weltmeisters. »Es ging jetzt etwas holprig los, aber die Saison ist noch lang. Ich bin sicher, dass wir all die kleinen Probleme lösen können und schon in zwei Wochen besser aufgestellt sind«, sagte Vettel, nachdem ihm zunächst ein Getriebedefekt und am dritten Testtag ein Ladedruckproblem wertvolle Zeit gekostet hatten. Zusätzlich konnte er noch keine schnelle Runde fahren – auch deshalb ist unklar, an welcher Position er sich zum Saisonstart einreihen wird.
Grund zu Pessimismus mit Blick auf die neue Partnerschaft sieht Vettel deshalb noch nicht. »Ich bin jetzt schon so lange dabei«, sagte er. »Da beschäftigt einen das Ganze nicht mehr so sehr. Vor zehn Jahren wäre jetzt vermutlich Panik angesagt gewesen.« Stattdessen mahnte Vettel Ruhe an.
Vettel bringt viel Topteam-Erfahrung mit
TV-Experte Marc Surer sieht das Gesamtbild ebenfalls nicht so negativ: »Vettel hatte einfach Pech mit den Problemen. Dadurch, dass er deshalb nie auf Zeit gefahren ist, sieht das dann halt auf den ersten Blick nicht gut aus. Aber sein Gefühl im Auto war ja durchaus positiv, er schien sich wohlzufühlen.« Vettels Teamkollege Lance Stroll habe laut Surer auf den schnellen Runden einen guten Eindruck hinterlassen. »Das Auto hat einen guten Grundspeed – wie auch schon letztes Jahr.«
Für Teamchef Otmar Szafnauer stand ohnehin mehr im Vordergrund, wie Vettel seine Ingenieure mit technischen Informationen versorgte. »Er arbeitet ungemein akribisch, bemerkt sehr viele kleine Details, die uns weiterhelfen können.« Er sage dem Team auch, »wo wir zum Beispiel anders arbeiten als andere, als etwa Red Bull oder Ferrari, was Vor- und Nachteile sein könnten – etwas, was auf unserem Weg weiter nach vorne sehr wichtig ist.«
Vettel muss in den kommenden Wochen noch viel über seinen neuen Boliden lernen. »Das Auto hat eine andere Lenkung. Die Pedale und der Sitz fühlen sich anders an. Das Auto ist nach einer anderen Philosophie gebaut. Es will anders gefahren werden. Wir haben einen anderen Motor. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen.« Es seien alles nur Kleinigkeiten, aber die Summe der Details mache es dann doch aus. »Ich erwarte nun in den ersten Rennen eine steile Lernkurve.«
Stroll schwärmt von Vettel
Aston-Martin-Teambesitzer Lawrence Stroll, der kanadische Textilmilliardär, hegt große Hoffnungen. »Arbeitseinstellung, Methodik, Denkweise, Planung – das sind alles Stärken von Vettel. Wenn ein Weltmeister bei einem Team arbeitet, dann wirkt sich das auf die ganze Mannschaft aus. Sie soll wie ein Champion denken und handeln. Er hilft uns dabei, eine neue Ebene zu erreichen.« Was sowohl für das gegenwärtige Team gilt, das 2020 noch unter Racing Point antrat – als auch für Autohersteller Aston Martin, wo ein erster Formel-1-Versuch als Werksteam Ende der Fünfzigerjahre nach zwei erfolglosen Jahren eingestellt worden war.
Dass dessen Sohn Lance der Vettel-Teamkollege ist, sehen manche Beobachter als Problem. Könnte das die teaminterne Politik kompliziert machen? »Gerade im Qualifying kann Stroll ein Maßstab für Sebastian sein«, sagt Surer. »Man darf nicht vergessen, dass er ja da auch öfters schneller war als Perez. Aber gerade im Rennen sollte sich Vettel doch sicher durchsetzen können – das war ja immer seine Stärke.«
Kampf um Platz drei unter den Teams
Ob das Ziel, 2021 zumindest Nummer 3 hinter Mercedes und Red Bull zu werden, mit regelmäßigen Podiumsplätzen und vielleicht sogar der ein oder anderen Siegchance, erreichbar ist, wird sich zeigen müssen. Szafnauer traut Vettel ein erfolgreiches Jahr zu, »wenn alles perfekt läuft«.
Vettel könnte davon profitieren, dass ihm die Fahrweise des Aston Martins mit einem stabilen Heck in den Kurven viel mehr entgegenkommt, als es der Ferrari der vergangenen Jahre getan hat. Der Aston Martin hat mit dieser Fahrweise und dem Mercedes-Motor das Potenzial, zu einem Vettel-Auto zu werden. Vettel muss aber auch zu alter Konstanz zurückfinden, in den vergangenen Jahren leistete er sich zu viele Fahrfehler, die nicht alle auf die Fahrweise des Ferrari zu schieben waren.
Bei den Testfahrten machte McLaren, erstmals auch mit Mercedes-Motor im Heck, einen stärkeren Eindruck. Vor allem, weil die Truppe des deutschen Teamchefs Andreas Seidl ohne technische Probleme das Testprogramm abspulen konnte. Seidl sieht dennoch einen spannenden Kampf: »Ich glaube, es wird wieder sehr eng werden, zwischen uns, Aston Martin und Alpine. So wie im letzten Jahr.«
Vettel selbst will noch keine Einschätzung der Kräfteverhältnisse abgeben: »Wir haben einfach nicht viele Runs abgespult, die man mit anderen Autos vergleichen kann. Ich habe auch gar nicht viel von den anderen verfolgt, sondern mich vor allem auf unser Auto konzentriert.«
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