Erst beeindruckte er die Fans auf dem Rasen, dann am Mikrofon. Leon Goretzka war beim 3:0 (2:0) der deutschen Nationalelf gegen Island einer der Besten gewesen, nach dem Abpfiff äußerte er sich zum wegen Missachtung der Menschenrechte kritisierten WM-Gastgeber Katar.
„Wir möchten der Gesellschaft klarmachen, dass wir das nicht ignorieren. Sondern dass wir ganz klar sagen, was für Bedingungen da herrschen müssen“, sagte der 26-Jährige und erklärte damit die Aktion der Mannschaft vor dem Anpfiff des Qualifikationsspiels für das Turnier im Winter 2022. Katar nannte Goretzka nicht, doch die Botschaft war klar. Die Spieler hatten T-Shirts getragen, die nebeneinander die Aufschrift „Human Rights“ ergaben. In sozialen Medien lobten das viele. Was die Aktion wert ist, muss sich erst noch zeigen.
Goretzka hat sich zum Führungsspieler entwickelt. Mit Joshua Kimmich, seinem Kollegen vom FC Bayern, und Ilkay Gündogan von Manchester City bestimmte er am Donnerstagabend in Duisburg im 4-3-3-System das Tempo und die Statik des deutschen Spiels. Kimmich, der beim desolaten 0:6 gegen Spanien Ende vergangenen Jahres verletzt gefehlt hatte, bewies gegen Island, dass er das Herz dieser Nationalelf ist.
Kimmich spielte über 160 Pässe
Er spielte in der ersten Halbzeit mehr Pässe (91) als alle Isländer zusammen (90), am Ende kam er auf über 160 Zuspiele und bereitete zwei Tore vor. Goretzka (1:0, 3. Spielminute) und Gündogan (3:0, 56.) trafen jeweils selbst, das 2:0 erzielte Kai Havertz (7.). Für Goretzka war es in seinem 30. Länderspiel bereits das 13. Tor. Beim Jubel haute er sich mit der Faust auf den Bundesadler auf seinem Trikot. Er war einer von denen, die Bundestrainer Joachim Löw sehen wollte: Schlüsselspieler, die ihren Kollegen lautstark Anweisung geben und Verantwortung übernehmen.
Uli Hoeneß, der erstmals als RTL-Experte ein Länderspiel analysierte, nannte das Mittelfeld „das Prunkstück“ der Mannschaft. „Das ist etwas, was die anderen in Europa nicht haben“, betonte der Ehrenpräsident des FC Bayern.
„Das war ein dynamischer, schwungvoller Auftakt"
Das DFB-Team setzt sich im ersten Qualifikationsspiel zur Fußball-WM 2022 gegen Island mit 3:0 durch. Trainer Joachim Löw ist hochzufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft.
Quelle: Stats Perform News
Löw muss auf dieser Länderspielreise auf den verletzten Toni Kroos von Real Madrid verzichten. Kroos’ Fehlen machte sich nicht bemerkbar. Die ihm zur Verfügung stehenden Topspieler sind in Sachen Position zu Löws Leidwesen ungleich verteilt: In der Verteidigung, vor allem außen, und im Sturm könnte er mehr gebrauchen – im Mittelfeld hingegen hat er die Qual der Wahl. „Das Mittelfeld war sehr gut unterwegs“, sagte Löw nach dem Sieg im ersten Länderspiel des Jahres. „Alle drei Spieler waren extrem ballsicher und häufig anspielbar. Das war ein Pfund.“
Der Weltranglisten-46. Island ist für die deutsche Elf nicht der Maßstab. Doch nach dem Spanien-Debakel war es eine deutliche Steigerung „Was in den letzten Spielen gefehlt hat und was wir uns fest vorgenommen haben: dass man das auf dem Platz sieht, dass wir diese Leidenschaft auf den Platz bringen, für unser Land spielen zu dürfen. Dass elf Jungs auf dem Platz stehen, die richtig Bock haben“, sagte Goretzka.
Im Mai wird Löw sein Aufgebot für die im Sommer geplante EM berufen. „Da wird er die Qual der Wahl haben, wenn alle gesund sind, vielleicht auch Thomas Müller noch dazukommt“, sagte Hoeneß. Beim FC Bayern rechnen sie damit, dass Löw den 2019 ausgebooteten Weltmeister zurückholt. Der Konkurrenzkampf im Mittelfeld ist enorm, Deutschland kann vor allem ein 4-3-3- oder 4-2-3-1 spielen, als Außenangreifer überzeugen Serge Gnabry und Leroy Sané.
Für Löw bleibt Kroos offenbar in jedem Fall gesetzt. „Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen? Das ist ein Weltklasse-Spieler, der unsere Mannschaft auch prägt“, sagte der Bundestrainer. Ob Kroos gesetzt sein muss, dürfte in den Monaten bis zur EM wegen des Überangebots an Topspielern im Mittelfeld weiter diskutiert werden. Bei Real spielt der 31-Jährige derzeit sehr gut, kein Profi in der spanischen Liga kreiert mehr Torchancen als er. Löw – das hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt – ist Spielern, die er schätzt, gegenüber sehr loyal. Kroos kommt auf 101 Länderspiele.
Gündogan zeigt nach einer überstandenen Corona-Infektion auch Weltklasse-Leistungen. Im Januar und Februar wurde er als bester Spieler der Premier League ausgezeichnet. „Was Ilkay momentan leistet, ist unglaublich“, sagte Verteidiger Antonio Rüdiger zu „Bild“: „Wir reden hier vom für mich aktuell besten deutschen Spieler. Ilkay war schon komplett, nun kam noch die Torgefahr hinzu.“ Die interne Torschützenliste bei City führt Gündogan mit 16 Treffern in 34 Pflichtspielen an. „Ilkay ist ein außergewöhnlich guter Stratege“, so Löw. „Es ist gut, wenn er ein bisschen weiter vorn spielt bei uns.“
Vom Spielertyp ähneln sich Gündogan und Kroos am ehesten, Goretzka besticht mit seiner Physis und Dynamik als „Box-to-Box-Spieler“. Derzeit deutet vieles daraufhin, dass Gündogan nur dann in die Startelf rückt, falls der Bundestrainer Kimmich auf die rechte Verteidigerposition zurückzieht. Löw sieht Kimmich dafür im Mittelfeld bislang als zu wichtig an. Sollte Gündogan weiter so formstark bleiben, scheint ein Umdenken aber nicht ausgeschlossen. Donnerstagabend sagte Löw zumindest: „Es gibt verschiedene Konstellationen. Das muss man dann im Mai noch einmal überlegen.“
Musiala über Debüt - „Sehr großer Moment“
Jamal Musiala feierte beim 3:0-Sieg gegen Island sein Debüt für die deutsche Nationalmannschaft. Der 18-Jährige zeigt sich nach dem gelungenen WM-Qualifikations-Auftakt überglücklich.
Quelle: Stats Perform News
Die cleverste Anordnung und Ausrichtung im Mittelfeld dürfte für ihn eine seiner größten Herausforderungen sein, ehe er nach der EM abtreten wird. Neben Kimmich, Goretzka, Gündogan und Kroos steht hier auch noch Florian Neuhaus von Borussia Mönchengladbach bereit. Passt Müller dennoch in die Mannschaft? Diese Frage „werde ich bei der Nominierung im Mai beantworten“, so Löw nach dem Sieg gegen Island.
Samstag fliegt er mit dem Team nach Bukarest. Sonntag (20.45 Uhr, RTL) triff es dort im zweiten WM-Qualifikationsspiel auf Rumänien, ehe am Mittwoch in Duisburg zum Abschluss dieser Reise die Partie gegen Nordmazedonien ansteht. Zwei Gelegenheiten für das glanzvolle Mittelfeldtrio, sich weiter für die EM einzuspielen.
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