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Corona: Fußballer früher impfen? Rummenigges Vorschlag "fataler Fehler" - t-online

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge bringt frühere Impfungen für Spieler ins Gespräch. Es ist nicht die erste Dreistigkeit aus der Fußballbranche in der Pandemie. Der Sport läuft Gefahr, seinen Ruf zu zerstören.

Seit Monaten genießt der Fußball einen Sonderstatus mitten in der Corona-Pandemie. Profisportler mit Millionengehältern dürfen ihrem Beruf weiter nachgehen, während Mittelstand, Kunst, Kultur und Handwerk unter dem Lockdown ächzen und Millionen Menschen ihre Berufe, ihre Leidenschaften nicht mehr ausüben können. Woche für Woche genießt der Fußball ein unglaubliches Privileg. Bisher gab sich die Branche weitgehend demütig und betonte, dieses Privileg wertzuschätzen. Zur Begründung führten die Macher stets an, der Profifußball biete den Menschen Zerstreuung und etwas "Alltag" in schweren Zeiten.

Aber nun droht der Fußball, das in ihn gesetzte Vertrauen und die Sympathien zu verspielen. Schlimmer noch: Der Fußball ist dabei, seinen eigenen Ruf zu zerstören. Und ausgerechnet der FC Bayern München, Deutschlands größter, erfolgreichster und beliebtester Klub, und dessen Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schaden ihrem eigenen Sport am meisten. Mit ihrer Einschätzung der aktuellen Lage begehen der Klub und sein Macher einen fatalen Fehler. 

Die Vereine wieseln sich aus den Einschränkungen heraus

Rummenigges Vorschlag: Der Fußball könnte bei den Corona-Impfungen ja einfach mal vorangehen. "Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung" sagte der 65-Jährige dem TV-Sender Sport1. Und weiter: "Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten." 

Klingt doch zuallererst wie eine vernünftige, sinnvolle Idee: Fußballspieler, von Millionen bewundert, mit riesigen Follower-Zahlen bei Instagram, Facebook und Twitter, lassen sich impfen und zeigen der breiten Öffentlichkeit: Es ist richtig und wichtig, sich und damit auch andere zu schützen – und im besten Fall gefahrlos. 

Man stelle sich vor: Ein Thomas Müller postet auf Instagram ein Video, wie ihm gerade die Spritze mit dem Vakzin verabreicht wird, vielleicht mit einem seiner gewohnt lockeren Kommentare dazu – das könnte im doppeltem Sinne "wirken". Das "könnte" ist aber mit einem großen Sternchen versehen. Denn wie kommt es tatsächlich bei Risikopatienten, bei Älteren, bei Kranken an, die noch warten müssen, vielleicht noch nicht mal einen Termin haben, wenn kerngesunde Profisportler anscheinend bevorzugt behandelt werden? Es besteht die sehr wahrscheinliche Gefahr, dass eine Gerechtigkeitsdebatte losbricht, die die vermeintlich gute Grundidee in den Hintergrund drängt.

Übrigens: Dass das mit dem "Vorbild" überhaupt so eine Sache ist, hat Rummenigge dabei einfach mal weggelassen. Denn trotz ihres Sonderstatus, trotz ihrer Privilegien entblödeten sich einige Profifußballer in den vergangenen Monaten nicht, gegen die Corona-Auflagen zu verstoßen. Sie gingen etwa auf illegale Partys, ließen sündhaft teure Friseure einfliegen, verbreiteten Fotos vom Haarschnitt ohne Maske und waren mitten im Lockdown an jedem Spieltag mit auffallend akkurat gestutzten Frisuren auf dem Platz zu finden.

Trotz ihres Sonderstatus, trotz ihrer Privilegien haben auch die Vereine noch nicht genug und wieseln sich aus den Einschränkungen heraus. In Deutschland sind Europapokalspiele wegen der Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des Coronavirus nicht möglich? Dann werden die Partien einfach nach Ungarn oder Spanien verlegt. Ein Affront gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, über deren Konsens – für das Allgemeinwohl werden Einschränkungen akzeptiert – man sich einfach hinwegsetzt.

Bescheidenheit nimmt man dem Fußball immer schwerer ab

Gerade das Allgemeinwohl führte Rummenigge jetzt aber als Beweggrund für seinen Vorstoß an: "Je mehr geimpft wird, desto mehr Zuschauer könnten eines Tages ohne jegliche Angst ins Stadion zurückkehren", erklärte Rummenigge. Und weiter: "Wir beim FC Bayern sind daran interessiert, nicht nur aus finanziellen, sondern aus Gründen der Fußballkultur, Atmosphäre und Emotionen in die Stadien zurückzubringen." 

Dabei beklagten sich der FC Bayern und Rummenigge noch vor wenigen Tagen selbst über die himmelschreiende Ungerechtigkeit, nach dem Bundesliga-Auswärtsspiel in Berlin ein paar Stunden am Hauptstadtflughafen festgesessen zu haben – es ging um die Reise zur Klub-WM nach Katar. Ein irrsinniges wie überflüssiges, aber lukratives Turnier, dazu in einem Staat, der es mit Menschenrechten nicht immer ganz genau nimmt – und das alles während sich Millionen Menschen an die aktuellen Reisebeschränkungen halten. Wo war da der Gedanke an die "Fußballkultur"?

Nun die nächste Volte des am Jahresende scheidenden Klubchefs. Bescheidenheit und Demut nimmt man ihm und seinem Berufsstand immer weniger ab. Karl-Heinz Rummenigge wird das naturgemäß anders sehen und die Vorreiterrolle seines Sports preisen. Das ist traurig. Viel schlimmer ist aber, dass der Fußball so seinen eigenen Ruf immer weiter beschädigt, bis er womöglich endgültig nicht mehr zu retten ist.

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