Erstmals lässt Netflix gebündelt wissen, wie viele Filme im neuen Jahr auf Abonnenten warten. Liefert die Titel gleich mit. Und lässt in einem eigens für den Zweck zusammengeschnittenen Trailer die drei Stars Ryan Reynolds, Gal Gadot und The Rock artig aufsagen: »Wir lieben es, Filme für Fans wie Dich zu machen!«
70 Spielfilme sollen also 2021 bei Netflix Premiere feiern. Unabhängig von jeder Diskussion über deren inhaltliche Qualität: Das sind mehr, als Warner Bros. und Disney in diesem Jahr gemeinsam auf den Markt bringen. Hochgerechnet wird der Streaming-Koloss sein Angebot jede Woche um einen Film erweitern, unter anderem mit dem Zombie-Abenteuer »Army of The Dead«, dem dritten Teil der Rom-Com-Saga »The Kissing Booth« und dem Actionfilm »Red Notice« mit Reynolds, Gadot und The Rock in den Hauptrollen.
Nicht alles in der Liste ist neu, bei genauerem Hinsehen finden sich in dem Paket viele Titel, die der Konzern schon früher angekündigt hatte. Aber Netflix hat zwei gute Gründe, jetzt die ganz große PR-Offensive zu starten, und sie widersprechen sich nur scheinbar: Der eine ist die gewachsene Konkurrenz. Der andere ihre eklatante Schwäche.
Disney+ und HBO Max als ernsthafte Konkurrenz
Im Gegensatz zu den klassischen Filmstudios war für Netflix' Geschäftsmodell schon immer unerheblich, wie es den Kinos ging. Der Konzern brachte seine Ware eher widerwillig dort unter, um beim Rennen um die Oscars mitmischen zu dürfen. Die Studios dagegen sind noch immer dabei, mühsam auf den verpassten Zug von Digitalisierung und Streaming aufzusteigen und verlorenen Boden gutzumachen.
Immerhin aber ist mittlerweile ein ernsthafter Konkurrent am Start, nämlich Disney+, und auch Warner macht mit HBO Max ernst und kündigt an, 2021 dort alle Kinofilme zeitgleich zum Kinostart zu zeigen. Grund genug für Netflix, das Publikum daran zu erinnern, wer in Sachen Streaming-Unterhaltung immer noch das größte Angebot hat.
Gleichzeitig zeigen gerade die desaströsen Zahlen, wie stark die Kinos in den USA 2020 unter der Pandemie gelitten haben: Die Einnahmen gingen um 80 Prozent zurück, von 11,4 Milliarden 2019 auf 2,2 Milliarden im vergangenen Jahr. Große Kinoketten stehen vor dem Konkurs. Noch immer sind in den USA 65 Prozent aller Kinos geschlossen, darunter in den wichtigsten Kino-Städten New York und Los Angeles.
Und die Aussichten zumindest für die erste Jahreshälfte 2021 werden immer düsterer. Noch halten sich die Studios bedeckt. Aber es wäre eine große Überraschung, wenn sie die für die nächsten Wochen angekündigten großen Titel wirklich in den Kinos starten würden.
Schon wird in der Branche gemunkelt, dass die nächste Arie der Film-Verschiebungen kurz bevor stehen dürfte. Akut betrifft das Filme wie »Cinderella« (geplanter US-Start 5. Februar) und »The King's Man« (12. März). Aber auch das neue James-Bond-Abenteuer »No Time To Die« (»Keine Zeit zu sterben«, Deutschlandstart offiziell im Moment: 2. April) und die Marvel-Comicverfilmung »Black Widow« (30. April) drohen, erneut unter die Räder der Pandemie zu geraten, nachdem beide Filme schon mehrfach verschoben wurden.
Zwar haben die meisten Studios mittlerweile eigene Streaming-Portale, auf denen sie mit ihren Kinofilmen versuchen könnten, Netflix Paroli zu bieten. Allerdings rechnet das Branchenblatt »Variety« vor, dass sich das nur für Filme im mittleren Budget-Segment rechnet. Die großen Blockbuster aber, oft über 200 Millionen Dollar teuer und in den letzten Jahren die eigentlichen Publikumsmagneten, können durch eine rein digitale Auswertung ihre Kosten nicht einspielen.
Zu allem Übel hat Netflix auch noch angekündigt, den Studios (wie schon geschehen) weiterhin Filme abkaufen zu wollen, die sie wegen Corona nicht in den Kinos zeigen können. Ein Beispiel dafür ist die Neuverfilmung von Alfred Hitchcocks »Das Fenster zum Hof« mit Amy Adams. »The Woman in the Window« war ursprünglich für Fox produziert worden, bevor das Studio von Disney geschluckt wurde, und gehört nun zum Netflix-Filmprogramm 2021.
Netflix-Filmchef Scott Stuber will diese Strategie fortsetzen. Gut möglich also, dass der Konzern in diesem Jahr noch weit mehr als 70 Filme sein Eigen nennen wird – während die Konkurrenz verzweifelt darauf wartet, dass die Kinos endlich wieder öffnen können.
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