Erleichtert und voller Freude, es geschafft zu haben: Als Boris Herrmann seine Frau und seine Tochter nach fast drei Monaten wieder in den Armen hielt, war der Frust über den unglücklichen Crash mit dem Fischtrawler nicht mehr so wichtig.
O-Ton Boris Herrmann Vendée Globe-Segler: »Ich bin glücklich. Letzte Nacht habe ich eine Dummheit begangen, ein kleines Missgeschick, aber ich bin trotzdem angekommen. Und das Vendée Globe lehrt dich jeden Tag aufs Neue, noch im Rennen zu bleiben. Es gibt viele Momente, wo das so ist.
Es war eine triumphale Rückkehr. Herrmann hat als erster Deutscher bei der Vendée Globe Geschichte geschrieben - auch ohne Platz auf dem Siegerpodest. Und der 39-Jährige hat viele Sympathien gewonnen.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht » Dann dauerte das ja noch zweieinhalb Stunden, gut zweieinhalb Stunden, bis er in den Kanal einfahren konnte und in den Hafen. Und da wurde er richtig ausgelassen. Er ist auf die Deckseile geklettert, was ein ziemlicher Balanceakt ist. Ob rechts, ob links, er war auf dem Großbaum Er hat, ich weiß nicht, wie viele Rauchtöpfe entzündet und wie viele Fackeln. Also der hat dann tatsächlich wirklich diesen Moment in aller Tiefe genossen.
Allein auf dem Segelboot, bei Stürmen, Flauten, Kälte, Hitze - um sich herum nichts als Wasser. Die Strapazen, die Herrmann und die anderen Teilnehmer ertragen haben, sind nur schwer vorstellbar.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht »Es ist sowohl eine körperliche Grenzerfahrung als auch, allein schon durch die schiere Arbeit und dieses ausgesetzt sein, extremen Beschleunigungen, die man ja nicht vorherahnen kann. Man weiß ja nicht, jetzt kommt eine Linkskurve, da drückt es mich nach links und das entscheidet am Ende der Autopilot, ob er kurz nach links oder kurz nach rechts steuert. Und wahrscheinlich in gleicher Weise, wenn nicht sogar noch härter, ist aus meiner Sicht einzuschätzen, die psychische Belastung, also diese ständige Abwägung, muss ich mehr pushen, um dranzubleiben oder muss ich eher vorsichtiger sein, um mein Boot und mich selber auch zu bewahren.
Herrmann, so Rieker, sei in seiner Seele zunächst einmal ein Seemann und nicht Regattasegler. Er habe eine große Liebe zu See. Aber die Vendée Globe war eine Grenzerfahrung. Jeden Tag.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht »Auf meine Frage, wie viele von den Tagen, von den 80 Tagen er denn genossen habe so richtig, sagte er, genau zwei. Also das zeigt schon, was für eine irrsinnige Beanspruchung er da durchlitten hat.«
Dennoch bei allem Stress fand Herrmann noch Zeit, um Whatsapp-Nachrichten zu beantworten. Er absolvierte sogar mehrere virtuelle Pressekonferenzen für die Journalisten in Deutschland.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht »Das war für ihn die einzige Ablenkung. Das war für ihn, wie, wenn andere eine Zigarettenpause machen. Wenn er sich einmal kurz rausnimmt aus der unmittelbaren Bedrohungssituation und sich auf den Text konzentriert, auf eine Sprachnachricht oder auch auf eine Reparatur, wenn die Bedingungen es zulassen, das waren alles für ihn im Prinzip so Wellnessmomente.«
Die Havarie mit dem Fischtrawler kurz vor dem Ziel kann sich Herrmann nach wie vor nicht erklären. Alle Warnsysteme hatten funktioniert.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht »Aus meiner Sicht, die juristisch nicht belastbare, aber wahrscheinlichste Erklärung, kann auch sein, dass er einfach so ermüdet war, so erschöpft war, dass er den Alarm überhört hat. Dass er tatsächlich erst an dem kratzenden, zermalmenden Geräusch des Fischereifahrzeugs aufgewacht ist.«
Das sei aber nur eine Mutmaßung, betont Rieker. Im Raum stehen nach wie vor auch Gerüchte, der Fischtrawler habe sein AIS-Warnssystem ausgeschaltet. Immerhin ging die Havarie glimpflich aus, der Schaden in Grenzen. Aber wie geht es nun mit Boris Herrmann weiter? Eine erneute Teilnahme an der Vendée Globe in vier Jahren ließ er bisher offen.
O-Ton Jochen Rieker Chefredakteur Yacht »Ich würde mal sagen, da ist noch eine Rechnung offen. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass dieses eine wirklich sehr harte Vendée Globe war.«
Wer Boris Herrmann in den vergangenen Wochen beobachtet hat, kann sich gut vorstellen, dass er das Abenteuer noch mal angeht. Fünfter bei der Premiere ist ein sehr gutes Ergebnis. Bei einer möglichen erneuten Teilnahme wird er definitiv von seinen Erfahrungen profitieren.
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